Dear White People Festival und Stellungnahme des EWFF

Von 7. Juni bis 13. Juni findet erneut das Festival „DEAR WHITE PEOPLE“ statt. Dieses Jahr gibt es unter dem Motto „Let’s break the silence“ wieder ein buntes Programm zu Themen wie beispielsweise Kolonialismus und Rassismus sowie den Zusammenhang zwischen ökologischer Krise und der Ausbeutung des globalen Südens. Es soll ein Raum entstehen, in dem explizit marginalisierte Stimmen gehört werden.

Leider gab es bereits im Vorfeld des Festivals größere Irritationen in Bezug auf eine geplante Veranstaltung von „Palästina spricht“ über die Situation der Palästinenser*innen im Nahen Osten. Die Kooperation mit der Gruppe wurde zunächst beendet, nun aber wieder aufgenommen. Lesen Sie hier das aktuelle Statement des Kurator*innen Teams.

Trotz der Diskussionen und schwierigen Situationen haben wir uns dazu entschlossen, die Veranstaltungsreihe weiterhin als Kooperationspartner mitzutragen und auch unsere eigene Veranstaltung mit dem Titel „Koloniale Kontinuitäten in glokalen Handelsstrukturen“ durchzuführen.

Denn wir finden, dass die vielen spannenden und inhaltlich wichtigen Themen sowie Auseinandersetzungen, die in den verschiedenen Veranstaltungen angesprochen werden, nicht durch eine einzelne Veranstaltung in ihrer Gesamtheit in ein falsches Licht gestellt und diskreditiert werden können.

Die geplante Veranstaltung von „Palästina spricht“ sowie die dort eingeladenen Referent*innen als auch die gesamte Organisation „Palästina spricht“ wird von vielen Seiten, gerade auch von Antisemitismus-Betroffenen, als antisemitisch eingestuft. Aufgrund dieses Vorwurfes haben sich sowohl „Palästina spricht Freiburg“ als auch viele Aktive aus unterschiedlichen Zusammenhängen ihrerseits ausgegrenzt gefühlt und argumentiert, die Stimme der Palästinenser*innen würde durch das „Labeling“ antisemitisch zu sein, unterdrückt und diskriminiert. Wir sehen uns zum aktuellen Zeitpunkt nicht in der Lage, eine inhaltlich differenzierte und qualifizierte Entscheidung zum Konflikt rund um die Gruppe „Palästina spricht“ zu treffen.

Dennoch ist uns wichtig eindeutig klarzustellen, dass wir uns gegen jede Form von Antisemitismus stellen. Egal in welchen Zusammenhängen und mit welchen Hintertüren und Argumenten. Sollten im Rahmen der Veranstaltung von „Palästina spricht“ antisemitische Äußerungen und Erzählungen eingebracht werden, distanzieren wir uns von diesen.

Der Diskriminierung von Jüdinnen und Juden sowie den als jüdisch gelesenen Menschen muss ebenso entschlossen ein Ende gesetzt werden wie der Delegitimierung Israels. Es darf nicht sein, dass jüdische Menschen in Deutschland nicht frei leben können, insbesondere dann nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit aus Sicherheitsgründen das Bekenntnis zu ihrer Religion nicht äußern können und Synagogen rund um die Uhr polizeilich geschützt werden müssen. Andererseits ist es uns auch wichtig, dass palästinensische Stimmen zu Wort kommen können. Ihre Anliegen und Perspektiven dürfen nicht durch einen Antisemitismus-Vorwurf ausgegrenzt und verschwiegen werden. Allerdings dürfen unter dem Vorwand ihre Stimme erheben zu können, keine antisemitischen Erzählungen und Falschinformationen verbreitet werden. Eine Diskriminierungs-, Ausgrenzungs- und Unterdrückungsform darf nicht gegen eine andere ausgespielt werden.

Alle Menschen sind weltweit – ungeachtet ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung oder sozialem Status – gleich und haben das Recht auf ein würdiges und gutes Leben. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen eingebracht und geäußert werden können. Dies gilt sowohl für palästinensische als auch für israelische Perspektiven, für jüdische, christliche, muslimische. Für Perspektiven aus unterschiedlichen Hintergründen und Lebensgeschichten, für Perspektiven verschiedener Menschen.

Es ist nach unserem Verständnis notwendig und auch richtig, dass im Rahmen einer Veranstaltungsreihe wie DEAR WHITE PEOPLE „Let’s break the silence“ Kontroverses auch kontrovers dargestellt und diskutiert werden muss. Dies kann jedoch nur dann konstruktiv geschehen, wenn kontroverse Positionen, Perspektiven und Erfahrungshintergründe gemeinsam diskutiert, beleuchtet und ausgetauscht werden. Es muss darum gehen, voneinander zu lernen und nach gemeinsamen, alternativen Lösungen zu suchen. Keine Seite darf sich dabei rassistischer, antisemitischer, kolonialer, sexistischer oder sonstiger diskriminierender Erzählungen und Argumente bedienen. Auch jede Form von Hass oder FakeNews haben hier keinen Platz.

Wir hätten uns deshalb gewünscht, dass im Vorfeld durch eine klare und eindeutige Positionierung von „Palästina spricht“ gegen jede Form von Antisemitismus versucht worden wäre, eine gemeinsame Lösung aller Beteiligten zu finden, damit niemand ausgegrenzt, nicht gehört, diskriminiert oder diffamiert werden kann. Dass dies im Rahmen der Veranstaltungsreihe von DEAR WHITE PEOPLE bislang nicht möglich war, erschüttert uns zutiefst. Wir hoffen, dass es hier noch Gelegenheiten geben wird, nach einem gemeinsamen Weg zu suchen, durch den es möglich wird, sowohl israelische als auch palästinensische Perspektiven zu Wort kommen zu lassen, ohne dass dadurch neuer Hass geschürt und antisemitische und rassistische Erzählungen stattfinden. Aus diesem Grund wünschen wir uns ein offenes Austauschformat im Rahmen des Festivals, in dem die aktuelle Kontroverse diskutiert werden kann und damit zum Abbau dieser großen Gräben beigetragen wird.

Das Team vom Eine Welt Forum Freiburg